Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit?

Ein hilfreicher Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Israels

von Timo Roller

Ha tikva – Die Hoffnung. So heißt die Nationalhymne von Israel. Hoffnung – oder doch eher Hoffnungslosigkeit? Was bestimmt unser Denken, das Denken der Menschen um uns herum, das Denken unserer Gesellschaft? Das Denken von uns Christen?

Tempelberg Jerusalem

Es geht um die Zukunft. Hoffnung und Hoffnungslosigkeit sind auf die Zukunft gerichtet. Die Zukunft liegt dunkel vor uns – unbekannt.

Oder doch nicht? Ich finde es besonders spannend an der Bibel, dass uns Propheten, Gott selbst und sein Sohn Jesus Christus manches verraten haben von dem, was noch vor uns liegt. Und damit auch, ob Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit angesagt sind.

In Lukas 21, 5–36 stehen wichtige Verse, die zeigen, wie Jesus in die Zukunft blickte und wie sich sein Plan erfüllte und noch erfüllt. Ich empfehle sehr, die Bibel aufzuschlagen und diese Verse einmal zu lesen.

Jesus redet über die Endzeit. Ein seltsames Thema. Manche Christen haben nichts anderes im Kopf – andere dagegen leben so sehr im Hier und Jetzt, dass die Wiederkunft Jesu oder auch das Leben nach dem Tod keine Rolle mehr spielen.

Die Worte Jesu sind recht einfach zu verstehen – im Gegensatz zum Buch der Offenbarung mit seinen Bildern und Symbolen.

Tempelzerstörung

Schon gleich am Anfang geht es im Bibeltext um den Tempel in Jerusalem. Der Tempel soll zerstört werden. Dies ist 70 n. Chr. passiert. Wurden Jesus erst danach diese Worte in den Mund gelegt? Sicher nicht! Im ersten Kapitel schreibt Lukas, dass er den »sicheren Grund der Lehre« sorgfältig erkundet habe. Damals haben noch Zeitgenossen gelebt, die solche Fehlinformationen – Fake-News – sicher nicht hätten durchgehen lassen.

Die Zerstörung des Tempels ist ein großes Trauma für das Judentum, es geschah damals zum zweiten Mal. 587 v. Chr. zerstörte Nebukadnezar den Salomonischen Tempel, nun der römische Feldherr Titus den zweiten, der unter Serubbabel errichtet und von Herodes erweitert worden war. Es war ein großartiges Bauwerk.

Der 9. Tag des jüdischen Monats Av (im Juli oder August) ist bis heute ein Trauertag im Judentum, an dem an diese beiden Zerstörungen erinnert wird. Auch die Klagemauer hat ihren Namen deswegen.

Immer wieder lesen und hören wir, wie wichtig der Tempelberg heute noch ist: ein umstrittener Taumelbecher – dies schreibt schon der Prophet Sacharja! Heute stehen auf dem Plateau des ehemaligen Tempels zwei muslimische Heiligtümer: Der Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee. Jerusalem wird als der drittheiligste Ort des Islam bezeichnet – nach Mekka und Medina.

Terror

Doch manchmal geschehen ganz und gar unheilige Dinge auf dem Tempelberg: Dort werden Waffen gehortet. Am 14. Juli 2017 kamen Terroristen bewaffnet vom Tempelberg in die Altstadt herunter und erschossen zwei Polizisten. Danach flüchteten sie wieder auf den Tempelberg und wurden dort von israelischen Sicherheitskräften zur Strecke gebracht.

Danach installierten die Israelis als Sicherheitsmaßnahme Metalldetektoren am Eingang des Tempelbergs. Muslimische Besucher weigerten sich, sich durchsuchen zu lassen – obwohl solche Maßnahmen sonst überall in Jerusalem selbstverständlich sind. Aus einer Sicherheitsmaßnahme wurde ein Politikum und ein angeblicher Verstoß gegen den »Status Quo«. Dieser besagt, dass auf dem Tempelberg Muslime das Sagen haben, obwohl das Gelände 1967 von Israel erobert wurde.

Der Konflikt schaukelte sich hoch, es wurden Tage des Zorns ausgerufen. Jerusalem: Taumelbecher und Laststein für alle Völker! Auch wieder, als US-Präsident Trump Ende 2017 Jerusalem als Hauptstadt Israels bezeichnete und ankündigte, die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Die Völker in der UN-Vollversammlung verurteilten dies mit überwältigender Mehrheit – obwohl Jerusalem bereits 1980 von Israel zur eigenen Hauptstadt erklärt wurde.

Im Tempel

Was wurde eigentlich im Tempel gemacht, bevor er 70 n.Chr. zerstört wurde? Es wurden Opfer gebracht für die Sünden des Volkes. Aber nun war Jesus da. Er war nach eigenem Anspruch das einmalige Opfer: Gottes Sohn. Die meisten Juden haben ihn abgelehnt. Im Tempel waren nun – 40 Jahre nach der Kreuzigung – keine Opfer mehr möglich. Seit der Zerstörung des Tempels muss das Judentum ohne Opfer auskommen.

Der Felsendom mit der goldenen Kuppel anstelle des Tempels

Endzeit

Jesu Endzeitrede geht weiter: Verführung, Kriege, Aufruhr, Erdbeben, Hungersnöte, Seuchen. Schrecknisse und große Zeichen vom Himmel her. Verrat und Verfolgung. Aber: das Ende ist noch nicht so bald da. Matthäus schreibt in der Parallelstelle: Es ist der Anfang der Wehen.

Dann geht es um Jerusalem. Es geht um Wachsamkeit. Ich glaube, die Einstellung der Christen zu Israel ist nicht gerade von Wachsamkeit geprägt. Wir müssen die Bibel lesen – nicht nur die Zeitung. »Seid allezeit wach und betet! Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.«

Die Worte der Bibel vergehen nicht. Nimmt man die Worte Jesu als Grundlage, sind viele andere Prophetenworte gut einzuordnen, wenn auch oft schwer zu verstehen. Werfen wir einen Blick ins Alte Testament, beziehen sich viele Prophezeiungen auf die damalige Zukunft nach der babylonischen Gefangenschaft. Einige Worte zeigen aber auch deutlich darüber hinaus – und wer Israel kennt, sieht, was sich im letzten Jahrhundert vor unseren Augen erfüllt hat.

»Dazu wirst du unter jenen Völkern keine Ruhe haben, und deine Füße werden keine Ruhestatt finden. Denn der HERR wird dir dort ein bebendes Herz geben und erlöschende Augen und eine verzagende Seele, und dein Leben wird immerdar in Gefahr schweben; Nacht und Tag wirst du dich fürchten und deines Lebens nicht sicher sein. Morgens wirst du sagen: Ach dass es Abend wäre!, und abends wirst du sagen: Ach dass es Morgen wäre!, vor Furcht deines Herzens, die dich schrecken wird, und vor dem, was du mit deinen Augen sehen wirst.« (5. Mose 28,65–67)

Jeremia beschreibt die Diaspora – die Zerstreuung der Juden unter die Völker – so: »Man nennt dich: ›die Verstoßene‹ und: ›Zion, nach der niemand fragt‹«.

Doch dann kommt die Wende. Als Gegenpol zu Unterdrückung und Holocaust die Rückkehr und Staatsgründung!

»So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde.« (Jesaja 43,5–6)

Wer hat die Berge Judäas, Galiläas und Samarias mit eigenen Augen gesehen? Noch Mitte des 19. Jahrhunderts schrieb Mark Twain: »Kommen Sie nach Galiläa: diese unbevölkerten Wüsten, diese rostfarbenen Hügel der Unfruchtbarkeit … [das Heilige Land] sitzt in Sack und Asche, verwüstet und hässlich – es ist ein unwirkliches Land.«

Doch Hesekiel schreibt: »Aber ihr Berge Israels sollt wieder grünen und eure Frucht bringen meinem Volk Israel, denn bald sollen sie heimkehren. Denn siehe, ich will mich wieder zu euch kehren und euch mein Angesicht zuwenden, dass ihr angebaut und besät werdet. Und ich will viele Menschen auf euch wohnen lassen, das ganze Haus Israel insgesamt, und die Städte sollen wieder bewohnt und die Trümmer aufgebaut werden. Ja, ich lasse Menschen und Vieh auf euch zahlreich werden; sie sollen sich mehren und fruchtbar sein. Und ich will euch wieder bewohnt sein lassen wie früher und will euch mehr Gutes tun als je zuvor, und ihr sollt erfahren, dass ich der HERR bin. Ich will wieder Menschen über euch ziehen lassen, nämlich mein Volk Israel; die werden dich besitzen und du sollst ihr Erbteil sein und ihnen die Kinder nicht mehr nehmen.« (Hesekiel 36,8–12)

Der Kampf um den eigenen Staat

Nach dem Holocaust gründeten 1948 die Juden, die sich auch schon zuvor in ihrem Land Israel gesammelt hatten, einen neuen Staat Israel. Nach fast 1900 Jahren! Einen Staat, der ihnen aber alles andere als Ruhe bescherte. Es gab einen Krieg um die Unabhängigkeit. Das Zentrum des Staates, der Tempelberg, fiel in jordanische Hand. Davor konnten Juden übrigens problemlos an die Klagemauer gehen, um zu beten. Und es gab keinen Palästinenserstaat. Das Westjordanland gehörte zu Jordanien, der Gazastreifen zu Ägypten. Es herrschte ein brüchiger Waffenstillstand.

1967 stand Israel am Rand des Abgrunds und wurde von allen Seiten von arabischen Armeen bedroht. Man entschied sich für einen Präventivschlag und der Sechstagekrieg folgte.

Neben den Golanhöhen, dem Westjordanland sowie der inzwischen an Ägypten zurückgegebenen Sinai-Halbinsel wurde die Altstadt von Jerusalem eingenommen. Der Davidstern wehte vorübergehend auf dem Tempelberg. Jerusalem ist seitdem – seit 50 Jahren – vereint.

Die Lukas-Version seiner Endzeit-Rede enthält einen ganz besonderen Vers, der in den Versionen der anderen Evangelien nicht vorkommt: »Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind« (Vers 24).

Die Zeit der Heiden war nun – 1967 – erfüllt. Ihre Zeit, ihre Herrschaft über Jerusalem, war vorbei.  Der Bibellehrer Lance Lambert bezeichnete diesen Tag der Rückeroberung Jerusalems als »das größte Ereignis seit Pfingsten«. Jerusalem gehörte als vereinte Stadt wieder den Juden.

Wobei es nicht ganz stimmt. Die Zeit der Heiden ist nicht ganz vorbei: Es gibt diesen sogenannten »Status Quo«: Das Bestimmungsrecht über den Tempelberg liegt noch bei den Muslimen. Aber die Oberhoheit hat Israel. Auch wenn die politische Umsetzung schwierig ist.

Was 2017 mit den Metalldetektoren oder nach der Erklärung von Donald Trump passiert ist – internationale Zwischenfälle mit Aufschrei von Muslimen in aller Welt, Aufmerksamkeit der Medien, einmütige Verurteilung der israelischen Sichtweise – dies zeigt, wie empfindlich und hochexplosiv dieser Tempelberg, dieser kleine Berg Morija ist.

Erdbeben

Was würde erst passieren, wenn ein Erdbeben den Tempelberg erschüttern würde? Aus tektonischer Sicht ist das immerhin möglich. »Das letzte schwere Beben hat es 1927 gegeben, als die Stadt Safed in Galiläa fast ausradiert worden ist und es auch in Jerusalem schwere Schäden an Gebäuden gegeben hat, darunter an der Al-Aksa-Moschee.« (Quelle: Israelnetz)

Auch 1546 traf ein schweres Erdbeben die Region. »In Jerusalem waren der Tempelberg und die ihn umgebenden Quartiere von diesem Erdbeben am schwersten getroffen. Das Dach des Felsendoms (oder der Al Aqsa-Moschee, nach einer anderen Quelle) stürzte ein, ebenso wie viele Häuser bei der Westmauer.« – Die Klagemauer wurde dann freigelegt (Quelle: Fokus Jerusalem)

Was würde passieren? Religiöse Juden würden dies möglicherweise als Zeichen Gottes interpretieren. Muslime würden mit Sicherheit in irgendeiner Form Israel beschuldigen. Ein Krieg wäre nahezu unvermeidlich. Hoffen wir, dass dieses schlimme Szenario ausbleibt.

Aber auch bei kleineren Konflikten: Auf welcher Seite stehen die Völker, steht Deutschland? Unsere Politiker und Medien kritisieren Israel unverhältnismäßig stark. Oder die Vereinigung der Völker, die UNO! Sie ist sehr stark anti-israelisch eingestellt. Die UNESCO hat den Tempelberg erst kürzlich zur ausschließlich muslimischen Stätte erklärt und die jüdische Vergangenheit quasi ausgelöscht. Die UN-Vollversammlung hat gegen Trump und gegen Jerusalem gestimmt. Auch Deutschland!

Wachsamkeit

Seien wir wachsam, lesen wir die Bibel – dann verstehen wir die Situation in und um Israel besser!

1. Die Bibel ist Gottes Wort.

2. Gott hat alles in seiner Hand.

3. Seien wir wachsam und wünschen wir Jerusalem Frieden / Glück – Schalom! (Siehe Psalm 122,6)

4. Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht! Jesus ist schon unsere Erlösung. Am Ende wird diese Erlösung für jedermann sichtbar.

Der Gott Israels ist der eine Gott! Er ist Ihr persönlicher Gott, er ist mein Gott! Dieser Gott ist nicht gegen Israel! Das steht eindeutig in der Bibel. Es schmerzt mich, wenn ich sehe, wieviele Christen heute gegen die Bibel, gegen Israel Position beziehen. Und dabei denken sie, sie stehen auf der Seite Gottes! Da hab ich meine Bedenken. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Römer 9 bis 11 – ein Wundermittel gegen Antisemitismus, der auch in der Kirche verbreitet ist!

Eure Erlösung naht! Dieser Punkt zeugt von Hoffnung. Die Wehen sind der Anfang, nicht das Ende. Am Ende steht die Geburt, der Neuanfang, das neue Leben. Dieses Bild ist so klar und eindrücklich. Wer selbst Kinder hat, wird sich vielleicht zurückerinnern, wie die Wehen waren – und die Geburt, das neue Leben. Vor uns liegt nicht Hoffnungslosigkeit, sondern Hoffnung!

Die Hoffnung für die Zukunft ist im Gott Israels begründet und in seinem Sohn, dem Messias Jesus Christus – auch in schwierigen (politischen oder persönlichen) Zeiten. Der Taumelbecher ist vorübergehend, am Ende steht die Erkenntnis, dass da ein Erlöser war: der Durchbohrte, den schon Sacharja erwähnte. Die Zeit der Heiden ist zuende, der Messias bringt neues Leben, ewiges Leben!

Dieser Artikel basiert auf meiner Predigt vom Israelsonntag am 20. August 2017 in Sulz am Eck. Mehr über das Heilige Land zwischen Bibel und Nahostpolitik gibt es in der 300-seitigen Neuausgabe des Buchs »Einzigartiges Israel«, das im MORIJAshop erhältlich ist.